Auszug aus: Nachrichten des Entomologischen Vereins Apollo, Frankfurt am Main, Neue Folge Band 20, Heft 1
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Aus: Nachr. entomol. Ver. Apollo, N.F. 20 (1): 25–26 (1999) –– © 1999 by Entomologischer Verein Apollo e.V.

Entomologische Notiz

„Urwaldrelikt“ nach über 100 Jahren im Frankfurter Stadtwald wiederentdeckt
(Coleoptera: Bostrychidae)

Günter Flechtner, Jacobystraße 2, D-60385 Frankfurt am Main

Bei der Probe zu einen Demonstrationsleuchtabend für naturkundlich Interessierte im Schwanheimer Wald (Alte Heeg: Kreuzungsbereich Lärchenschneise/Kelsterbacher Schneise) flogen den Schmetterlingskundlern P. Zub und W. A. Nässig am 26. vi. 1998 auch einige Käfer an den Leuchtturm. Darunter waren zwei Exemplare (Beleg in der Hessensammlung für Käfer im Naturkundemuseum Senckenberg) von Lichenophanes varius (Illiger, 1801) aus der Familie Bostrychidae (Holzbohrer). Die 6–13 mm langen, walzenförmigen Tiere entwickeln sich im morschen Holz besonders von alten, stehenden, toten Buchen. Sie sind vor allem dämmerungs- und nachtaktiv. In seiner Faunistik der mitteleuropäischen Käfer gibt Horion (1961) die Art für Deutschland als sehr sporadisch und sehr selten vorkommend an; wenige alte Meldungen waren bekannt und neuere aus diesem Jahrhundert nur aus der Mark Brandenburg.

Für Hessen bringt er die alten Angaben von Klingelhöffer um 1840 aus der Umgebung von Darmstadt und aus Frankfurt, wo die Art durch C. & L. von Heyden und Stern oft aus dürrem Buchenholz im Juni erzogen wurde. 1877 wurde der „Dunkelflügelige Holzbohrer“ auch aus Eichenholz gezüchtet (von Heyden 1904). Nachdem E. Müller am Südwestrand des Vogelsbergs bei Ortenberg die Art in Westdeutschland wiederentdeckte (Bouwer 1979), wurde sie in verschiedenen urständigen Waldgebieten der Rhein-Main-Ebene bei Stockstadt/Aschaffenburg (Elbert 1994), Offenbach (Bathon 1967/68), Darmstadt (Vogt 1972, Dehnert 1973, Bathon 1981), Groß-Gerau (Bouwer 1979, Bathon 1991), auf der Rheininsel Kühkopf (Bouwer 1979) und im Lampertheimer Wald (Nolte et al. 1997) nachgewiesen. Nun wurde der Käfer, nachdem seine Vorkommen an den alten Fundplätzen bei Darmstadt und Aschaffenburg aus dem vorigen Jahrhundert bestätigt wurden, auch in Frankfurt wiedergefunden.

Die Art kommt anscheinend nur noch reliktär verbreitet in Waldgebieten mit ungebrochener Waldtradition und spezifischem Alt- und Totholzangebot vor und wird dementsprechend zu den Relikten einer alten Waldfauna gezählt (Horion 1961, Elbert 1994, Niehuis 1994, Nolte 1997, Schillhammer 1998). In der Roten Liste gefährdeter Tiere Deutschlands (Binot et al. 1998) wird Lichenophanes varius als stark gefährdet eingestuft (RL 2). Das Verzeichnis der Käfer Deutschlands (Köhler & Klausnitzer 1998) gibt neuere Funde aus Süddeutschland (Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland) sowie Brandenburg an. Alte Nachweise, meist aus dem letzten Jahrhundert, stammen aus Hannover, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Erfreulich ist, daß auch heute noch im Frankfurter Stadtwald ökologische Bedingungen anzutreffen sind, die es der anspruchsvollen Käferart ermöglichen, hier zu existieren.

Literatur

Eingang: 23. xi. 1998

© Entomologischer Verein Apollo e. V., Frankfurt am Main, Juni 1999 — ISSN 0723-9912


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